Unterwegs mir der Kräuterfrau 10.05.2019
VHS-Exkursion in Spenge: Katharina Hinze kennt sich aus mit allem, was am Wegesrand wächst. Viele Wildkräuter können in der Küche und der Heilkunde eingesetzt werden
Spenge. Wer schon immer mal wissen wollte, was eigentlich das „Wald- und Wiesenpflaster“ ist oder ob man Bärlauch auch noch essen darf, wenn er schon blüht, der war am späten Freitagnachmittag richtig bei einem Spaziergang der besonderen Art in Spenge. Die Kräuterexpertin Katharina Hinze nahm ein gutes Dutzend Neugierige mit auf einen zweistündigen Spaziergang am Spenger Stadtrand. Vom Parkplatz am Waldbad ging es auf einem schmalen Wanderweg vorbei an der Werburg und an Schloss Mühlenburgund schließlich im großen Bogen zurück zum Ausgangspunkt. Der Blick der Wanderer war dabei fast immer auf den Boden gerichtet, denn alle wollten wissen: „Was wächst denn da am Wegesrand?“
Den Speiseplan mit Wildkräutern aufpeppen
Die Erwartungen an die von der VHS angebotene Exkursion waren dabei unterschiedlich. Während die einen vor allem interessierte, wie sie ihren Speiseplan mit Wildkräutern aufpeppen können, wollten die anderen mehr über die Heilkraft von Kräutern erfahren. Katharina Hinze wusste auf alle Fragen eine Antwort, machte aber gleich zu Beginn klar: „Ich werde nicht mehr als etwa 15 Wildkräuter ausführlich vorstellen – mehr können Sie sich ohnehin heute nicht merken!“ Dass gerade jetzt im Frühjahr die „Hochzeit“ der Kräuter ist, merkten die Exkursionsteilnehmer sehr schnell. Links und rechts des schmalen Pattweges grünte und blühte es in den unterschiedlichsten Farbschattierungen. Und wer bis dahin geglaubt hatte, dass es sich dabei lediglich um jede Menge wild wucherndes „Unkraut“ handelte, der wurde von Hinze schnell eines Besseren belehrt. Jede Pflanze konnte die Kräuterfrau nicht nur benennen, sondern auch etwas zu ihrer Verwendung und Wirkweise in Küche und Heilkunst erzählen. Ausführlicher ging sie allerdings tatsächlich nur auf einige der bekannteren Pflanzen ein, wie etwa das Labkraut, das gleich zu Beginn des Weges in großen Büscheln wuchs. „Dieses Kraut schmeckt ein wenig nach Erbse oder Mais“, erläuterte sie. Gedünstet lasse sich daraus ein leckeres Wildgemüse kochen. Wie viele Kräuter könnte man das Labkraut zwar auch roh essen, dabei sei allerdings Vorsicht geboten. „Wie eine Klette hat es viele Widerborsten. Wenn man nicht aufpasst, kann es einem in der Speiseröhre stecken bleiben“, warnte sie. Diesen Kleb-Effekt haben sich die Menschen früher zunutze gemacht, wusste sie. „Aus dem Kraut ließ sich gut eine Art Netz flechten, durch das die Molke vom Käse abgegossen wurde. Daher auch der Name.“ Gleich neben dem Labkraut entdeckte Katharina Hinze Nelkenwurz – „gut bei Zahnschmerzen“ – und Beinwell. Die großen rauen Blätter dieser Pflanze ließen sich hervorragend in der Küche verwenden: „Ein Stück Käse in ein Blatt eingewickelt, etwas paniert und dann in Fett ausgebacken – das ist einfach superlecker!“ Zuviel sollte man aber nicht von dieser wilden Nascherei essen. „Die Inhaltsstoffe wirken auf die Leber“, so die Expertin. Ohnehin gelte generell Mäßigung beim Verzehr von Wildkräutern, weil ihr Vitamin- und Mineralstoffgehalt bis zu fünffach höher sei als in anderen Gemüsen. „Mehr als eine halbe bis eine Hand voll Kräuter sollte man pro Tag nicht zu sich nehmen.“ Die gleich daneben zart gelb blühenden Taubnesseln kannten einige der Teilnehmer noch aus Kindertagen: „Die Blütenhaben wir früher immer ausgelutscht – der Nektar ist unglaublich süß.“ Das führte unweigerlich zu der Frage, ob man Kräuter ungewaschen überhaupt essen dürfe, angesichts der Gefahr einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm. Für Katharina Hinze ist das eine Frage, die „jeder für sich selbst entscheiden“ müsse. Eine Erkrankung sei sicherlich sehr schlimm, aber auch relativ selten. „In Deutschland hat es im vergangenen Jahr nur vier oder fünf Todesfälle gegeben“, sagte sie. Abgesehen von der Frage nach dem Fuchsbandwurm, gelte es beim Verzehr von Wildkräutern generell, einige Dinge zu beachten. „Erste Regel“, so die Kräuterfrau, „nur Pflanzen pflücken, bei denen man sich hundert Prozent sicher ist, sie zu kennen.“ Die Gefahr einer Verwechslung mit einem giftigen Kraut sei zu groß. Tödlich würden zwar nur wenige Pflanzen wirken, aber Kopfschmerzen, Erbrechen oder Übelkeit könnten die Folge sein. Auch an viel befahrenen Straßen oder an „Hundelaufstrecken“ würde sie selbst keine Kräuter ernten. Und absolut Tabu seien natürlich Naturschutzgebiete, nicht zum eigenen Schutz, aber zum Schutz der Pflanzen. Überhaupt kein Verständnis hat die Spengerin, wenn Kräutersammler ganze Rabatten abernten. „Wenn ich manchmal sehe, wie gerade jetzt ganze Bärlauchbestände abgeschnitten wurden, könnte ich heulen!“ Bärlauch stehe unter Naturschutz. Mal hier und da ein Blatt für den Eigenbedarf zu ernten, das sei okay, aber ganze Bestände zu dezimieren, das sei rücksichtslos. Gleichzeitig räumte die Expertin mit einem Vorurteil auf: Bärlauch werde nicht ungenießbar, wenn erblüht. Im Gegenteil: „Die Blütenschmecken mir fast noch besser als die Blätter. “Zum Beweispflückte sie ein paar der weißen Sterne und ließ die Exkursionsteilnehmer probieren. Der intensive Knoblauchgeschmack der Blüte wirkte lange nach.
Gundermann, Baldrian, Vogelmiere und Brombeeren
An Gundermann („Ein tolles Würzkraut und gut gegeneitrige Zustände“), Baldrian („Braucht nasse Füße und wächst deshalb gern am Wasser“), Vogelmiere („Davonkann man alles essen“), Brombeeren („Lecker für Tee“), Hirtentäschelkraut(„Wirkt blutstillend“)und Löwenzahn(„Jeden Tag zehn Blütenstiele essen, wirkt gegen Diabetes“)näherten sich die Teilnehmer langsam wieder dem Ausgangspunkt ihrer Wanderung. Mit jeder Menge neuem Wissen und gleichzeitig der Erkenntnis, dass sie an diesem Abend trotzdem nur einen Bruchteil der Wildkräuter etwas näher kennengelernt haben. Aber zum Glück bietet die VHS weitere Exkursionen mit der Kräuterfachfrau an (siehe Infotext). Ach ja: Als „Wald- und Wiesenpflaster“ gilt übrigens der Spitzwegerich, den die Expertin ebenfalls am Wegesrand entdeckte. Der Saft aus zwischen zwei Fingern zerriebenen Blättern helfe gut bei Schnittwunden oder Insektenstichen. Die unscheinbare Pflanze könne aber noch mehr, verriet Hinze: „Klein geschnittene Blätter – in Honig konserviert– sind ein bewährtes Mittel bei Husten. Und in der Küche besticht der Spitzwegerich durch sein tolles Aroma– er schmeckt genau wie ein Champignon!“
Infotext: Täglich draußen in der Natur
Katharina Hinze ist ausgebildete MTA, Phytoterapeutin und Heilpraktikerin. Die 58-jährige Spengerin ist nach eigener Aussagefast täglich in der Natur unterwegs. Ihr großes Kräuterwissen gibt sie in Kräuterführungen weiter. Die Volkshochschule bietet in diesem Frühjahr noch mehrere Exkursionen mit ihr an, unter anderem am 28. Juni in Enger. Unter dem Motto „Kräut’s und Quer“ kann man die Expertin aber auch für private Führungen buchen. Über die Heilwirkung von Kräutern hat sie inzwischen auch mehrere Bücher veröffentlicht. Ein weiteres Angebot von ihr ist „Shinrin Yoku“, das Waldbaden. Unter einfühlsamer Anleitung soll der Wald mit allen Sinnenwahrgenommen werden und so seine Heilkräfteentfalten. Weitere Informationen zu allen Terminen und Angeboten gibt es unter www.katharinahinze.de. (maw)