Dans mon H.L.M. – Renaud, le chanteur énervant

Dans mon H.L.M. – Renaud, le chanteur énervant 06.11.2025

Am Freitag, den 7. November bietet die vhs im Kreis Herford einen Vortrag über den französischen Liedermacher Renaud an. Durch den Abend führt Michael Wiersing Sudau, ein Kulturjournalist, der sich seit vielen Jahren mit französischen Chansons beschäftigt. Spannende Fragen über Renaud – spannende Antworten im Interview mit Michael Wiersing Sudau gibt es schon jetzt.

Interview mit dem Moderator des Abends, Michael Wiersing Sudau:

Den meisten in Deutschland ist Renaud kein Begriff. Anders als zum Beispiel Mylene Farmer oder Patricia Kaas hat es bereits seit den 1980ern kein männlicher Interpret mehr geschafft, trotz großer Erfolge in Frankreich auch hierzulande bekannt zu werden. Renaud hat zudem nie unserem Idealbild eines Franzosen entsprochen. Er sieht skandinavisch aus; mit seinen blonden Haaren, hellem Gesicht erinnerte er lange am ehesten an Asterix. Beginnt als Straßenmusiker, und wird über Jahre Symbol der rebellischen, sozial interessierten Jugend. Mit gesundem Selbstbewusstsein ausgestattet, skandiert er "Societé tu m'auras pas" (Du kriegst mich nicht!), in bewusster Ablehnung von Staat, Gesellschaft und Polizei. Prätentiös, teils mit Augenzwinkern, dass er es doch nicht immer so meint. Denn zugleich macht er sich über seinen eigenen 'Berufsstand' der Chanson/Pop/Rock-Sänger lustig, über sich selbst und seine Kollegen. Möchte Rumtreiber sein, ist aber vielleicht der letzte Volkstribun, der über alle Gesellschaftsschranken hinweg anerkannt wird – von Leuten egal welches Einkommens und mit egal welchem Beruf, Renaud hat sie alle erreicht in der Vergangenheit und erreicht sie heute noch, keinem ist er so ganz gleichgültig. Bezeichnend für spätere Jahre ist die Thematisierung seiner Abhängigkeit und die Suche nach Liebe, des eigenen Lebens. An allen seinen Gefühlen lässt er uns teilhaben, gibt einen intimeren Blick in seine Gefühle als Männer sonst. Er ist nicht zwingend extrovertiert, er kann einfach nicht anders!

Renaud ist Kumpel, ohne sich anzubiedern, nicht mehr Nachkriegsgeneration, sondern Post-'68er. Er ist zwar nicht so poetisch wie andere, aber von der Intensität der Beobachtungen in seinen Texten her ist er teils höchst berührend. Er trifft uns mit Formulierungen wie "J’aime surtout tout c‘qui vous fait peur" (ich mag alles, was Euch Angst macht), aus dem Mund eines – erfundenen – 15jährigen Migranten, der auf der Suche nach seinem Platz im Leben ist. Der Satz ist ein Schlag ins Gesicht der Zuhörer, der einen kalt erwischt und einem Schauer über den Rücken jagt. Renaud besingt immer wieder Menschen, die bestenfalls unbequem sind, und schafft es, Verständnis für diese teils krassen Außenseiter zu entwickeln. Das ist sein Verdienst. Er geht davon aus – was ja richtig ist – dass kein Mensch 'schlecht' geboren wird, sondern die Umstände, oder auch die nicht kontrollierbare Natur manche von uns abdriften lassen. Sicher, mitunter hat man den Eindruck, einige dieser Texte sind dahingerotzt, und könnten elaborierter sein, Renaud erlaubt sich Witze noch bei der Schilderung von harten Realitäten. Aber, zum einen: das ist Teil seines Stils, der erstmal für sich stehen darf. Ist das dann keine hohe Kunst mehr, wenn sie nicht ausgefeilte Dichtung und schön ist ?  Renauds Sprache ist vielleicht auch ein – unbewusster ? – Gegenentwurf zu der vergleichsweise geordneten Ausdrucksweise anderer Sänger. Zum anderen: wer spricht denn soziale Themen in dieser Art überhaupt an, massentauglich, spiegelt das – zum Teil leicht romantisierende – Lebensgefühl von Rabauken, Kleinganoven wieder ?  Mit seinen Schilderungen dieser Milieus, dieser Lebensumstände trifft er die Zuhörer, bewegt sie eben doch, und lässt sie nicht gleichgültig. Vielleicht ist nur eine Zeile richtig packend, aber so, dass man das Lied anhören muss.

Ebenso ist er versierter Erzähler, und Sachkundiger im Austausch mit seinem Publikum. Ja, bemerkenswert.Das Exempel für mich ist hier "Les aventures de Gérard Lambert", die Schilderung einer banalen Alltagsepisode, die in einer Tragödie endet, vollkommen imaginär. Renaud zeigt oft eine geradezu kindliche Freude an der Inszenierung, hier eines unheimlichen Kriminalfalls. Er schöpft die Klischees aus (bedrohliche Gitarrenklänge wie aus einem Western), erzeugt Stimmung damit, dass die Geschehnisse im Stil eines authentischen Verbrechens erzählt werden: "Ça y est j'ai planté le décor, créé l'climat de ma chanson, ça sent la peur, ça pue la mort" (jetzt hab' ich das Dekor erstellt, eine Atmosphäre, die Angst verbreitet und nach Mord duftet) stellt er begeistert fest. Und er, der seinem Live-Publikum immer auf gleicher Augenhöhe begegnet, erreicht dies hier in geschickter Weise dadurch, dass er Interaktivität bereits im Liedtext selbst vorkommen lässt: "J'aime bien c't'ambiance pas vous ?  Ah bon" (Ich mag ja diese Stimmung sehr. Sie nicht?  Nichts zu machen!). Also dadurch, dass er davon ausgeht, dass die Zuhörer gerade eben nicht sein Vergnügen teilen. Lässt die Zuhörer teilhaben, während er ihr Interesse an der Sache selbst ausschließt!  Natürlich macht es das reizvoll. Renauds Sprache bedient sich dabei allgemein einer Erzählweise, die uns ganz an Gespräche erinnert. Ich denke zwar, dass viel Argot (Umgangssprache, Sprachspielereien) in seinen Texten aus den 70-80er Jahren aktuell nicht mehr gebraucht wird. Historisch hat er aber vermutlich zunächst lokale (Pariser) Argots durch seine Lieder im ganzen Land bekannt gemacht ("laisse béton" – Lass sein!), und durch eigene Sprachschöpfungen ergänzt, die bis heute lebendig sind. Wer Sprache liebt, wird ihm das hoch anrechnen. Renaud hat seine Faszination für das Leben, aber auch für die Sprache von Randgruppen wiederholt betont. Seine Lieder sind dadurch oft saftiger, witziger - und viele Lieder sind sehr witzig. Wenn er Worte gebraucht, die man als anzüglich, vulgär in der Übersetzung empfindet, mögen diese im Französischen übrigens zum annehmbaren Ton gehören.

Renaud kritisiert das Land Frankreich und hat dennoch Mitterrand unterstützt. Renauds Interpretation immer wieder konkret von französischer Wirklichkeit ist für uns als Nicht-Franzosen oft besonders erhellend – das findet sich in der Art bei kaum einem anderen Interpreten. Renaud entlarvt Spießigkeit und Angepasstheit seiner Mitbürger und äußert massive Kritik an Polizei, Staat und Politik. Andererseits hat er sich in den 1980ern an einem Konzert zur Unterstützung der Wiederwahl Mitterrands beteiligt. Mitterrand ist vermutlich der moralisch problematischste westeuropäische Spitzenpolitiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der zeitlebens Altnazis geschützt hat (u.a. Bousquet), als Innenminister im Unabhängigkeitskampf der Algerier Menschen hinrichten ließ, ohne dass er das musste, das Schiff von Greenpeace versenkte, etc. Renaud hat ihn aber offenbar aus Sympathie zur Linken unterstützt. Viele Sachen sind gewiss erst nach Mitterrands Tod so richtig publik geworden. Zum heutigen Zeitpunkt ist es jedoch offenbar zu spät für den Sänger, Mitterrands zu hinterfragen. Er hat ihn in Liedern erwähnt, sagt, er vermisse dessen Intellekt, seinen Schöngeist – was natürlich legitim ist. 

Was bietet Renaud musikalisch?  Was bedeutet "H.L.M."?  Renaud hat, kreativ, seine Lieder in unterschiedlichste Stile der Popularmusik gegossen, in Rock, in Country-Musik, "Musette" (dem französischen Rummelmusikgenre), etc. "H.L.M." ist eine französische Abkürzung für Sozialwohnungen – ein Schauplatz, an dem manche von Renauds Liedern spielen. Ganz wichtig: Renaud ist ein großer Liebender. Wenn er Ansager auf dem Rummel ist, bei der ersten Liebe, wenn er mit tausenden Metaphern beschreibt, was es in ihm auslöst, dass seine Frau ihn nach 20 Jahren verlassen hat, die Tode eines afghanischen Mädchens in Kabul und eines puertoricanischen Bauarbeiters in New York am und nach dem 11.9. miteinander verbindet – dann ist da einer, der bis heute fühlt und liebt, mal romantisch, mal ernüchtert, aber immer noch mit ehrlicher Anteilnahme an dem Schicksal von Menschen.

Lust mehr über Renaud zu erfahren und einige seiner Chansons zu hören? Hier sind die Informationen zu der Veranstaltung. 

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