Rehabilitation für Herfords Hexen

Rehabilitation für Herfords Hexen 22.05.2018

Herford (NW). Eine Frage der Ehre: Der Experte Hartmut Hegeler regt an, dass der einst für die Verurteilung der Frauen verantwortliche Rat den Ruf der Opfer wiederherstellt. Beispiele dafür gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft

Waren sie erst einmal auf der Anklagebank angekommen, hatten sie eigentlich keine Chance mehr: 55 Hexenprozesse lassen sich für die Jahre 1584 bis 1654 für Herford nachweisen, fast alle endeten mit einer Hinrichtung. Dies ist kaum verwunderlich, denn für die Beweisfindung setzten die Ankläger die Folter und unmögliche Proben ein, wie der Experte Hartmut Hegeler in seinem Vortrag im Haus der Kirche herausstellte. Und es sei an der Zeit, sowohl mit dem Justizverbrechen als auch mit vielen Halbwahrheiten aufzuräumen, die noch immer kursieren.

 

So habe die Hexenverfolgungen zwischen 1500 und 1800 etwa nichts mit der katholischen Inquisition zu tun, berichtete Hegeler. Die Verfolgungen gab es in katholischen Regionen, aber auch in früh reformierten - wie eben im Raum Ostwestfalen. Falsch sei es auch, dass die Prozesse vor kirchlichen Gerichten geführt wurden. „Es waren immer weltliche Gerichte, die die Todesurteile sprachen und vollstrecken ließen“, sagte Hegeler, „denn nur diese bei Räten oder Magistraten angesiedelten Gerichte hatten das Recht, Todesurteile zu sprechen.“


Urteile mit anschließenden Hinrichtungen gab es in Herford 1584, 1589, 1622 und auch noch nach dem Höhepunkt der Hexenverfolgung im Jahr 1627. Damals wurden in Herford an einem Tag dreißig Frauen der Wasserprobe unterzogen, anschließend verurteilt und eine Woche später im Lübberbruch verbrannt.


An den Ort der Wasserprobe im Hexenkolk, etwa dort, wo sich heute das Radewiger Wehr befindet, erinnert eine Tafel und die Hexentreppe der Künstlerin Susanne Albrecht daran. Im Zuge des Projekts „Herford ans Wasser“ soll auch der „Hexenstein“ von Bildhauerin Anke Stratmann-Horn in der Aa installiert werden. Im Lübberbruch gibt es indes weder Spuren noch Information dazu.


„Andere Städte sind da weiter und haben Mahnmale errichtet“, sagt Hegeler. Doch neben der Einrichtung eines Erinnerungs- oder Informationsortes am Hinrichtungsort auf den Werrewiesen setzt sich Hegeler auch ganz konkret für die Rehabilitierung der als Hexen verfolgten Menschen ein - und zwar direkt von der Stadt Herford. Denn obwohl Hexen damals nach geltendem Recht verurteilt wurden, sei eine moralische, sozialethische und theologische Rehabilitierung der unschuldigen Opfer überfällig. „Sie müssten aus heutiger Sicht im Sinne der Anklage für unschuldig erklärt werden“, so Hartmut Hegeler. In vielen Orten - wie Lemgo oder Lippstadt - sei dies bereits geschehen. Und auch Herford stünde dieser Schritt auch gut zu Gesicht.


Denn an der Werre gingen die Verfolgungen auch nach 1627 weiter, und zwar mit derart viel Nachdruck, dass die Herforder Schöffen eine rege Rechtsgutachtertätigkeit für Hexenprozesse in benachbarten Territorien ausübten. Die Opfer waren nicht nur Frauen, sondern etwa 30 Prozent Männer und 5 Prozent Kinder: „Der Hexerei beschuldigt werden konnte jeder.“


Die Gründe für das Aufkommen seien vielfältig. So habe Europa von 1570 bis 1630 unter der „Kleinen Eiszeit“ gelitten, das Jahr 1628 gilt gar als das „Jahr ohne Sommer“. Wetterkatastrophen und Missernten wurden auf Schwarze Magie zurückgeführt und die Zahl der Prozesse in Deutschland erreichte einen Höhepunkt.


Dass Herford sich besonders hervortat, könnte auch einen profanen Grund gehabt haben. „Herford kämpfte damals um die Anerkennung als Reichsstadt“, sagte Hegeler: „Die kurze Phase der Reichsunmittelbarkeit war durch intensive Hexenverfolgungen gekennzeichnet.“ In der Bevölkerung war offenbar ein gewaltiges Aggressionspotenzial gegen die „Zauberschen“ vorhanden. Möglicherweise habe die Stadt mit dem Vorgehen beweisen wollen, dass sie in der Lage sei mit „Recht und Ordnung“ eine de facto nicht existente Gefahr in den Griff zu bekommen - eine Strategie, die bis heute nicht unüblich sei.

 

Streiter gegen das Halbwissen


Auf das Thema der Hexenverfolgung kam der pensionierte Lehrer aus Unna über Fragen seiner Schülerinnen: "Als ich begann, mich damit zu befassen, stellte ich fest, wie viel ich nicht wusste und wie viel Falsches oder Halbwissen immer noch verbreitet ist - obwohl die Forschung längst weiter vorangekommen ist."


Eingeladen hatten Volkshochschule, Amnesty International, Kirchenkreis, Gleichstellungsstelle der Stadt, IPPNW Herford, Geschichtsverein und das Kuratorium Erinnern, Forschen, Gedenken.

Vortrag: Hartmut Hegeler informiert über die Hexenprozesse und setzt sich für eine Rehabilitierung der Opfer ein. Foto: Ralf Bittner

 

Bildunterschrift

Hartmut Hegeler informiert über die Hexenprozesse und setzt sich für eine Rehabilitation der Opfer ein.

 

© 2018 Neue Westfälische, 09 - Herford, Samstag 19. Mai 2018, Ralf Bittner

(c) Ralf Bittner

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