Erinnern mit Blick auf das Heute

Erinnern mit Blick auf das Heute 14.11.2018

Gedenkveranstaltungen: In der Synagoge fanden sich zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht zahlreiche Menschen ein. Auch beim Stadtspaziergang "Orte jüdischen Lebens" am Sonntag kamen knapp 50 Interessierte

Herford. Die letzten Gäste mussten stehen: Am Freitagabend waren die Plätze im Versammlungsraum der Synagoge an der Komturstraße 21 schnell voll besetzt. Das Kuratorium "Erinnern und Gedenken" hatte eingeladen zum 80- jährigen Jahrestag der Reichspogromnacht. Schüler der Gesamtschule Friedenstal bereicherten die Gedenkveranstaltung mit einer Performance. Sie lasen Texte - zum Beispiel aus alten überlieferten Briefen jüdischer Mitbürger vor, die ihre Erlebnisse in Zeiten von Verfolgung schilderten. Auch lange Listen mit den Namen von deportierten und ermordeten Juden aus Herford wurden immer wieder vorgelesen. Dazu gab es Projektionen alter Bilder und jiddisches Liedgut vom Tonband. "Und was geht mich das heute noch an?" fragte im Rahmen der Performance immer wieder ein Schüler aus den hinteren Reihen. "Das geht uns alle was an!" antworteten die anderen Schüler.

Dass das so ist, unterstrich auch Bürgermeister Tim Kähler in seiner Rede. Wie dünn in einer zivilisierten Gesellschaft die bürgerliche Wohlanständigkeit sein könne, hätten nicht zuletzt die Vorkommnisse in Chemnitz und Cottbus gezeigt. "Wehret den Anfängen",  agte Kähler, der aus heutiger Sicht dazu aufrief, die "Diskriminierung aller Minderheiten" zu ächten und ihr "mutig und offensiv entgegen zu treten". Auch der Vorsitzende des Kuratoriums, Friedel Böhse, rückte neben dem Erinnern auch aktuelle politische und gesellschaftliche Geschehnisse ins Blickfeld: "Mit der AfD bündeln sich regressive und rechte Kräfte. Mit dem Einzug dieser Partei in Parlamente steigt die Gefahr der Normalisierung rechter Positionen." Es sei die Aufgabe der Demokratie, sich davon klar abzugrenzen.

Am Sonntag kamen dann auch noch knapp 50 Teilnehmer zur Stadtführung mit dem Titel "Orte jüdischen Lebens" mit Stadtarchivar Christoph Laue. Interessiert hörten die Teilnehmer zu, wie Laue berichtete, dass die jüdische Minderheit - auch hier in Herford - schon immer mit Verfolgung und Beschränkungen ihrer Freiheit zu kämpfen hatte. "Der erste urkundliche Beleg eines Menschen jüdischen Glaubens in Herford stammt aus dem Jahr 1306", so Laue. Und bereits Anfang des 14. Jahrhunderts seien die Juden dafür verantwortlich gemacht worden, die Pest in die Stadt
eingeschleppt zu haben. So sei es im Laufe der Geschichte immer weitergegangen.

Im Rahmen des Stadtspazierganges (der mit C. Laue seit November 2002 traditionell von der VHS im November angeboten wird/Anmerkung der VHS im Kreis Herford) besuchten die Teilnehmer sowohl die Synagoge als auch den jüdischen Friedhof. Auch an Gedenktafeln und Stolpersteinen führte der Rundgang vorbei und an Häusern, in denen in den 1930er Jahren jüdische Mitbürger gewohnt haben, die später von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

So zum Beispiel das Gebäude an der Komturstraße 16, in dem die jüdische Familie Weingarten eine Lederfabrik betrieb. "Eigentlich war das in Herford eine angesehene Familie, Frau Weingarten war sogar mal Schützenkönigin", so Laue. Dennoch wurde die Fabrik 1938 zwangsverkauft und die Weingartens wurden von Bielefeld aus deportiert und ermordet.

KOMMENTAR
Höchste Zeit, Haltung zu zeigen
Natalie Gottwald

Unfassbar, dass es heute noch Personen gibt, die das politische Grauen des Dritten Reiches leugnen oder sich die verbrecherischen Aktionen der Nationalsozialisten gegen Minderheiten gar zum Vorbild nehmen. So ergreift einen auch die schiere Fassungslosigkeit beim Blick auf 400 Verirrte, die am Samstag in Bielefeld aufmarschierten, um ihre ewig gestrigen Gedanken
herauszubrüllen. Doch Fassungslosigkeit sollte nicht die einzige Reaktion auf derartige Entgleisungen sein - das wurde auch in den Gedenkveranstaltungen in
Herford ganz deutlich. Heute, wo einige wieder versuchen, rechtes Gedankengut klammheimlich in der Mitte der Gesellschaft zu platzieren, ist stilles Gedenken an die Vorkommnisse aus der Vergangenheit natürlich wichtig. Ebenso wichtig ist
die klare - und wenn nötig auch laute - Position dagegen! Wo es vielleicht in vergangenen Jahrzehnten noch reichte, die Köpfe zu schütteln über einige
ewig Gestrige und zu erinnern an die Untaten der Nationalsozialisten, ist es heute
höchste Zeit, Haltung zu zeigen. Gerne nach 2007 auch wieder mal in Herford mit einer Veranstaltung nach dem Beispiel der Bielefelder Gegendemonstranten.
Denn: Herford ist doch auch "bunt, vielfältig und weltoffen"!

Neue Westfälische, 12.11.2018, von Natalie Gottwald

Bildunterschrift: Gedenkplatte: An der Johanniskirche wird an die "Zwangstaufe" eines Juden im Jahr 1555 erinnert. Im Rahmen einer Stadtführung besuchte Stadtarchivar Christoph Laue mit den Teilnehmern Orte in der Stadt, die noch heute von jüdischem Leben zeugen oder an damaliges Unrecht erinnern.
Foto: Natalie Gottwald

Neue Westfälische © Natalie Gottwald

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