Was war, kann und soll Heimat sein?

Was war, kann und soll Heimat sein? 26.08.2020

Antworten gab der Philosophier-Lust-Abend im Städtischen Museum.

Herford. Der Philosophieabend mit Michael Girke unter der Überschrift „Wieviel Heimat braucht der Mensch?“ hatte eine besondere Nuance. Der Publizist beschäftigt sich schon länger mit dem Thema „Heimat“ und hatte eigene Texte dabei. Seine Einführung bekam daher den Charakter einer Lesung, wobei er aber nicht nur aus eigenen Texten vortrug, sondern auch aus den Werken anderer Autoren.

Girkes Textauswahl zeigte anschaulich, dass sich in den letzten 200 Jahren zwei große Lager ausmachen lassen: Die Vertreter aus dem einen verteidigen und glorifizieren Heimat, die Anhänger aus dem anderen polemisieren und verdammen sie. Zu letzteren gehört das Gründungsmitglied der Grünen, Thomas Ebermann, der in seinem Buch „Linke Heimatliebe“ die Bemühungen linker Politiker, Heimat neu zu interpretieren, kritisiert. Für Ebermann sind linke Positionen mit Heimat unvereinbar, denn Heimat ist für ihn eine Ideologie, die Probleme romantisiert und mit der „schlechten“ Gegenwart versöhnen will. In Begriffen wie „Verwurzelung“ und „Bodenständigkeit“ macht er eine gefährliche Dimension aus, weil sie Ausgrenzung provozieren und zur Basis von Rassismus werden können.

Die Vorstellung der Verteidiger begann Girke mit den Romantikern, in deren Werken in Zusammenhang mit Heimat von Vertrautheit und Geborgenheit, aber vor allem auch von Sehnsucht und Heimweh nach Fernem, kaum Erreichbarem die Rede ist. Texte von Freiligrath und von Eichendorff spiegeln wider, wie den Dichtern die Veränderung der Welt durch die Industrialisierung unheimlich wurde.

Der Heimatbegriff wird im 19. Jahrhundert aber nicht nur in der Literatur mit Gefühlen aufgeladen, sondern auch in der Politik. Die gegen die napoleonische Besatzung aufbegehrenden Deutschen verbinden ihn mit dem Begriff „Nation“. Die Staatsnation wird zum erklärten Ziel und mit der Reichsgründung erreicht. Propaganda lädt„ Heimat“ mit Nationalstolz zu einem völkischen, gegen Fremde gerichteten Gefühl auf, dem nach 1871 in den überall aus dem Boden wachsenden Nationaldenkmälern sichtbarer Ausdruck verliehen wird. Texte von Friedrich List, Namensgeber einer Herforder Berufsschule und Straße, Heinrich von Treitschke und Heinrich Heine trug Girke als Zeugnisse dafür vor. Er schloss seine Lesung mit Texten, die für ihn eine mögliche Position zwischen den zwei Hauptlagern kennzeichnen. Sie streichen die Suche nach Nähe und Vertrautem, also Heimat, als Notwendigkeit für den Menschen heraus und finden auch für hässliche Orte schöne Worte. Jean Améry, der auf Heimat aus der Sicht des Exilanten schaute und sagte, „man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben“, war vertreten, ebenso Marie-Luise Kaschnitz und Joseph Roth. Die Soziologie vertrat Richard Sennett, als Philosoph zitierte Girke Christoph Türcke, der betont, dass wirkliche Nähe und Verbindung nur mit viel Zeit entstehen. Mit dem gemeinsamen Buch des Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger und der badenwürttembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras, in dem ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis in einer von Migration gekennzeichneten Gesellschaft thematisiert wird, schloss Girke seinen Lesereigen. Wer nachlesen möchte, findet die Titel einiger Texte auf der Homepage www.poeppelmannhaus.de

 

Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der VHS im Kreis Herford statt.

 

Neue Westfälische, 8. August 2020

 

Foto: Michael Girke © privat

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