Die Renaissance – ein echter Neuanfang 09.03.2021
Mit dem Städtischen Museum Herford und der VHS in der Villa Schönfeld philosophieren
Der Publizist Michael Girke legte am zweiten online-Philosophierabend 22 Interessierten anschaulich dar, dass mit der Renaissance (etwa 1420 – 1600) ein neues Zeitalter begann, in dem sich, angeregt durch die Wiederentdeckung antiken Wissens, eine neue Sicht auf den Menschen als Individuum und die Welt entwickelte.
An den naturalistischen, auf wahrheitsgetreuer Beobachtung beruhenden Porträts eines Jan van Eyk sowie an Brunelleschis Bau der Kuppel des Florentiner Domes verdeutlichte Girke was das Neue, Bahnbrechende der Renaissance im Vergleich zum Mittelalter war. Zum einen rückte das Individuum, die diesseitige Welt in den Fokus. Girkes Gewährsmann, der Schweizer Kulturhistoriker Jakob Burckhardt, stellte bereits im 19. Jahrhundert heraus, dass sich in der Renaissance das Selbstverständnis des modernen, heutigen Menschen herausbildete. Zum anderen bereitete das antike Wissen den Boden für die moderne Ingenieurskunst und ganz allgemein, die modernen Naturwissenschaften.
Sich mit der Renaissance zu beschäftigen, bedeutet auch, auf eine starke Bildungsbegeisterung zu treffen. Girke drückte es so aus: „Gebildet sein war Mode“. Die neue Philosophie der Zeit war der Humanismus. Seine Maxime: Der Mensch soll frei werden durch Bildung. Der Effekt: Umfassende Bildung eröffnet viele Perspektiven und übt den Umgang mit Vielfalt. Der Mensch muss immer wieder entscheiden was gilt und was nicht. Durch Vernunft, durch das Denken wird der Mensch zur Wahrheit geführt.
Die Verbreitung der Renaissance ausgehend von Italien in ganz Europa wurde nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks und die damalige Weltsprache Latein ermöglicht. Arabische und griechische Bücher aus der Antike wurden ins Lateinische übersetzt. In Latein wurde das wiederentdeckte Wissen über nationale Grenzen hinweg diskutiert und durch die Diskussion weiterentwickelt.
Dass auch Herforder sich in die gelehrten Gespräche einmischten und die Renaissance noch heute sichtbare Spuren in Herford hinterlassen hat, zeigte Museumsleiterin Sonja Langkafel von Girke befragt, am Schluss des Abends auf. Sie verwies auf die von Hermann Dwerg testamentarisch verfügte Einrichtung des Stundentenkollegs und auf die Humanisten, die als Lehrkräfte an der Herforder Lateinschule und dem in der Reformation gegründeten Gymnasium (heute Friedrichsgymnasium) wirkten. Die renaissancezeitliche Architektur am Neuen Markt und das Altstädter Rathaus zeigte sie im Bild.
Foto 1:
Das Haus mit reichgeschmücktem Renaissance-Ziergiebel wurde 1560 von dem Baumeister Johann von Brachum für den Herforder Ratsherrn und Kaufmann Jobst Wulfert am Neuen Markt errichtet.
Foto 2:
Der Ausschnitt aus dem Aquarell von J.G. Müller zeigt das Altstädter Rathaus. Um 1590 wurde die Gerichtslaube im Stil der Hochrenaissance angebaut.
Foto 3:
Die Säule vor dem Städtischen Museum stammt vom 1878 abgebrochenen Altstädter Rathaus.
Alle Fotos: © Städtisches Museum Herford