Keine Kaffeetafel ohne Torte und Kuchen 28.06.2021
Kochforscher*innen backen in der VHS-Lehrküche
Hiddenhausen/HK. 2014 haben sich die Kochforscher des Kreisheimatvereins zusammengefunden. "Und "sie haben einfach nicht aufgehört", schmunzelt Monika Guist vom Kreisheimatverein. Seit Jahren erforschen die Teilnehmer westfälische Koch- und Essgewohnheiten im Zusammenhang mit Geschichtlichem. Vier Hefte in der Reihe "Rezepte im Wittekindsland" haben die Kochforscher auf den Markt gebracht. An diesem Freitag erscheint Heft Nummer fünf: "Kuchenglück. 100 Jahre süße Geschichte im Wittekindsland".
Hier veröffentlicht das Team nicht nur 17 süße Rezepte vom traditionellen Blechkuchen bis hin zur trendigen Spinat-Erdbeer-Torte, sondern erzählt viele Geschichten rund um den westfälischen Kaffeetisch zwischen Genuss, Anstand und Gemütlichkeit. "Wir haben historische Rezepte aus dem Archiv oder Großmutters Schublade geholt, ins heutige Zuckerverständnis übersetzt und in der VHS nachgebacken", erzählt Monika Guist. Angereichert wurde das Ganze mit persönlichen Geschichten über typisch westfälische Tischsitten und Kaffeerunden.
Nach Pickert, Geschichtetem, Eingewecktem und Brotzeiten haben sich die Kochforscher nun dieses Mal die letzten 100 Jahre mit Blick auf Torten vorgenommen. "Wir zeigen am Beispiel Torte, wie sich auch die Gesellschaft verändert", meint Guist. In den 1920er Jahren beispielsweise haben eine ausgeprägte Tafelkultur und wertvolles Geschirr zur Inszenierung der sozialen Stellung beigetragen. In den Nachkriegsjahren, so Guist, sei man froh gewesen, überhaupt etwas auf den Tisch bringen zu können. Das Kapitel zu den 50ern steht im Heft unter dem Titel "Man mache aus wenig viel...", passend dazu ein Rezept für den Rehrücken (siehe Kasten). In den 50er Jahren sei dann die so genannte Fresswelle über Westfalen geschwappt. Auf dem Kaffeetisch waren Buttercreme und Schlagsahne ein Muss. Doch die Westfalen wurden gesundheitsbewusster. Auf die Butter- und Sahnejahre folgte eine Kuchenvielfalt, der Zucker- und Fettgehalt nahm ab, in Westfalen hielt der Käsekuchen Einzug auf heimischen Kaffeetischen.
Viele Jahre, so erzählt Monika Guist, sei der Kaffeetisch auch ein Objekt des Generationenkonflikts gewesen. Man habe nur von konservativen Strukturen erzählt, was den Jüngeren nicht gefallen habe. Heute hat die Kaffeetafel eine Gemütlichkeit, bei der alle Generationen wieder zusammenkommen. Dazu wurde das Backen wieder entdeckt.
Übrigens: Der berühmteste Kuchen, der früher wie heute von keiner Kaffeetafel wegzudenken ist, ist die Schwarzwälder Kirschtorte.
Das neue Heft "Kuchenglück" gibt es ab sofort für drei Euro in den Buchhandlungen im Kreis Herford, bestellt werden kann es auch über die Homepage des Kreisheimatvereins (www.kreisheimatverein.de). Es hat 36 Seiten und diesmal einen dickeren Einband aus Umweltpapier. Vorgestellt wird das Heft auch am Tag des offenen Denkmals am 12. September auf Gut Hiddenhausen.
Man mache aus Wenig Viel
50 Gramm Butter oder Margarine mit 100 Gramm Zucker, 1 Päckchen Vanillezucker und 1 Ei schaumig schlagen;
250 Gramm Weizenmehl Typ 405, 25 Gramm Kakao und 3 gestrichene Teelöffel Backpulver über die Creme sieben;
1/8 Liter Milch hinzurühren, mit 2 Tropfen Bittermandel-Aroma und 1 Prise Salz aromatisieren, in eine mit Butter oder Margarine gefettete Rehrückenform füllen und in den vorgeheizten Backofen schieben:
Ober- und Unterhitze 180 GradUmluft 160 Grad50 bis 60 Minuten Backzeit
Danach den Rehrücken aus der Form stürzen, erkalten lassen und mit 50 Gramm Puderzucker bestreuen.
Der Rehrücken kann auch mit mehr Butter, Zucker oder Eiern verfeinert und mit einer Schokoladenglasur und Mandelstiften verziert werden.
Das geschah später, als wieder mehr Lebensmittel als in den Nachkriegsjahren zu bekommen waren.
Foto:
Die Kochforscher des Kreisheimatvereins stellen an der Museumsschule das Projekt Kuchen im Wittekindsland vor. Unterstützt wird dies finanziell von der Sparkasse. Leckeren Kuchen genossen bei der Gelegenheit: (v. l.) Gisela Stille, Christa Gante, Regina Wachowiak, Ute Hartwig, Jörn-Uwe Wolff, Monika Guist, der neue Kreisheimatpfleger August König, Christa Stolte und Anna Vogt.
Foto: Karin Koteras-Pietsch
Herforder Kreisblatt, 25.06.2021, Karin Koteras-Pietschund
Neue Westfälische, 28.06.2021, David Knapp