Philosophier-Lust in der Villa - Aufklärung als Mittel im Kampf gegen Rechts

Philosophier-Lust in der Villa - Aufklärung als Mittel im Kampf gegen Rechts 11.11.2021

In Zusammenarbeit mit der VHS, dem Daniel-Pöppelmann-Haus/Städtisches Museum und der Gedenkstätte Zellentrakt

Herford. In der Reihe „PhilosophierLust“ sprach Matitjahu Kellig über die jüdische Gemeinde, Musik, Antisemitismus und die Auseinandersetzung mit Rechtsaußen.

„Das sind keine Spinner, das sind Täter“, sagt Matitjahu Kellig, Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, über Neonazis, Rechtsextreme und die verbreitete Tendenz, diese als Wirrköpfe zu verharmlosen. „Nehmt sie ernst!“, appelliert er an die Besucher in der Reihe „PhilosophierLust“ im Daniel-Pöppelmann-Haus. Das Gespräch mit dem Publizisten Michael Girke will zum „Nachdenken über Jüdisches Leben in Deutschland“ anregen.

Kellig ist Vorsitzender einer Jüdischen Gemeinde, deren Mitgliederzahl, wie die vieler anderer Gemeinden in Deutschland, im Schwinden ist. „Es fehlt der Nachwuchs“, sagt er bedauernd. Die Lage ist so ernst, dass er damit rechnet, dass es in einigen Jahren keine Menschen mehr geben werde, die die Synagoge zu Gottesdiensten betreten werden. „Wenn wir nichts machen, werden wir irgendwann den Schlüssel umdrehen und das Gebäude den Spinnen überlassen müssen“, beschreibt er die Situation. „Das werde ich nicht zulassen. Das Gebäude bleibt Synagoge.“ Wie genau das Fortbestehen gesichert werden könne, sei offen. Denkbar ist die Umwandlung in einen Ort kulturellen Lebens in Trägerschaft einer Stiftung. Die Veranstaltung ist eine der vielen im Festjahr „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“. „Damals, im Jahr 371, war Köln römische Kolonie, ein Deutschland wie wir es heute kennen, gab es nicht. Eigentlich müsste das Festjahr an 1.700 Jahre Jüdisches Leben nördlich der Alpen erinnern“, sagt Kellig.  

Für den Pianisten und Klavierprofessor im Ruhestand ist das Jubiläum Anlass zum Nachdenken über die historische Perspektive. „Die Geschichte des Zusammenlebens von Juden und der Bevölkerung um sie herum war immer wechselhaft“, sagt er. „Es gab Phasen des Zusammenlebens, Phasen der Verfolgung und die Shoah als Versuch der Auslöschung allen jüdischen Lebens.“ Er ist daher nicht überrascht, dass es Antisemitismus und Rassismus bis hin zu Mordanschlägen gibt. „Auch wenn sich Geschichte nicht eins zu eins wiederholt, neigen Menschen dazu, Geschichte zu wiederholen“, sagt er. „Es gilt also wachsam zu sein und die Auseinandersetzung mit den Rechten aufzunehmen, in der Familie, im Kreis der Arbeitskollegen oder im Kulturbetrieb, auch wenn mich das oft an meine Grenzen bringt.“ Kraftraubend sei für ihn der Prozess durch mehrere Instanzen gegen den Neonazi Sascha Krolzig gewesen, der 2020 mit einer Haftstrafe wegen Volksverhetzung, Beleidigung und früheren Bewährungsstrafen endete. Kellig erinnert auch an den bei den Zuhörern wenig bekannten Grund für die Auseinandersetzung mit Krolzig. Kellig hatte Druckaufträge der Stadt Preußisch Oldendorf an einen Verlag kritisiert, der auch rechtsextreme Schriften verbreitet.  

Daraufhin hatte Krolzig Kellig als „frechen Juden“ und „selbstgefälligen Juden-Funktionär“ bezeichnet. Mit dem Ausgang des Prozesses zeigt Kellig sich zufrieden, weniger aber damit, dass die Kommune weiter in der Druckerei drucken lässt. „Gibt es keinen Druck aus der Kommunalpolitik, das zu ändern?“ lautet eine ungläubige Frage aus dem Publikum. „So weit ich weiß, nicht“, Kelligs Antwort.

Er würde sich immer wieder in ähnlicher Form zu Wort melden, denn zu oft würden ihm Populismus und Opportunismus begegnen, wo Aufklärung und Auseinandersetzung angebracht seien. „Das Thema ist überall da, also muss überall dagegen gearbeitet werden“, sagt Kellig. „Trotz des Antisemitismus sitze ich aber nicht auf gepackten Koffern. Wenn es anders wäre, würde ich auch woanders leben“, sagt er. Sorge bereite ihm, dass sich die soziale Lage verändern, der Wohlstand durch Corona oder Klimawandel abnehmen könnte, „denn soziale Spannungen bringen faschistische Haltungen hervor“.  

Wenig anfangen könne er mit Betroffenheitsgesichtern, die ihm an Gedenktagen oder nach Anschlägen begegnen. „Nur wenn aus Betroffenheit eine Auseinandersetzung entsteht, entwickeln sich neue Perspektiven und damit Hoffnung“, sagt er. „Seine persönliche Betroffenheit sei sein Antrieb für sein Intervenieren. Daher hat er auch einen wenig philosophischen, sondern höchst praktischen Rat ans Publikum: „Bleibt dran. Nehmt die Diskussion auf.“

 

Foto: © Ralf Bittner Publizist Michael Girke im Gespräch mit Matitjahu Kelling, dem Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold

 

NW Herford, 05.11.2021, Ralf Bittner

 

 

Herforder Kreisblatt, 01.11.2021, Niklas Gohrbandt

Volkshochschule im Kreis Herford
Das kommunale Weiterbildungszentrum
Zweckverband vhs im Kreis Herford

Münsterkirchplatz 1 | 32052 Herford
 05221 5905-0
05221 5905-36
info@vhsimkreisherford.de

Öffnungszeiten des Informations- und Anmeldebüros (Raum 207)

Mo8:30 – 12:30 Uhr und 14:00 – 16:00 Uhr
Di8:30 – 12:30 Uhr und 14:00 – 16:00 Uhr
Mi8:30 – 12:30 Uhr und 14:00 – 16:00 Uhr
Do8:30 – 12:30 Uhr und 14:00 – 16:00 Uhr
Fr

8:30 – 12:30 Uhr


Fachbereich DEUTSCH (Integrations-, BSK-Kurse, Prüfungen u.s.w.)
Öffnungszeiten 
des Deutsch-Informations- und Anmeldebüros (Raum 201)

Mo8:30 – 12:30 Uhr und 13:30 – 15:00 Uhr
Di8:30 – 12:30 Uhr und 13:30 – 15:00 Uhr
Mi– geschlossen –
Do8:30 – 12:30 Uhr und 13:30 – 15:00 Uhr
Fr

8:30 – 13:00 Uhr