vhs-Sprachkurs, in dem Geflüchtete aus der Ukraine Deutsch lernen

vhs-Sprachkurs, in dem Geflüchtete aus der Ukraine Deutsch lernen 28.02.2023

Ein Jahr nach Kriegsbeginn

Bünde. Die Menschen, die in den vergangenen zwölf Monaten aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, tun seitdem vor allem eins: Sie lernen die Sprache und engagieren sich. Der Krieg spaltet auch Familien.

Schon Mitte Februar vor einem Jahr liegt etwas in der Luft, dass vielen Menschen in der Ukraine Sorgen bereitet. Dann kommt der 24. Februar 2022 – heute vor einem Jahr. Und die Welt ist seit dem Befehl des russischen Diktators Putin an seine Armee, den einstigen Bruderstaat Ukraine zu überfallen, nicht mehr dieselbe. Bei den Ukrainern, die seitdem auch hier nach Bünde kommen, hinterlässt das Wunden und Narben. Alle von ihnen können Russisch sprechen – doch Ukrainisch ist für sie nun sehr viel mehr als ihre Muttersprache. Es ist ihre Identität. Das geben sie sehr deutlich zu verstehen.

„Die deutsche Sprache ist schwer. Komplizierter als Ukrainisch“, sagt Lehrerin Maryna Miliusas, die ihren Kursus von 21 Erwachsenen in einem Raum der Volkshochschule in der Forscherhaus-Gesamtschule unterrichtet. Sie kam schon vor etwa zehn Jahren nach Deutschland und arbeitete für das Goethe-Institut. Ihr ehrenamtliches Engagement als Dolmetscherin und Lehrerin ist ein Glücksfall – für die Menschen aus der Ukraine, für die Stadt Bünde und auch für den Verein Brückenschlag Ukraine, dessen Leitung für den Vorsitzenden Dirk Kaiser seit einem Jahr mehr als ein Full-Time-Job ist.

Aber was die Zeit nach der Flucht mit den Menschen gemacht? Die erwachsenen Schüler von Maryna Miliusas kamen zwischen März und Dezember 2022 nach Bünde. Die Männer im wehrfähigen Alter, die dabei sind, müssen nicht an die Front, weil sie entweder drei oder mehr Kinder haben, mit denen sie geflohen sind. Oder aber sie haben gesundheitliche Probleme.

Russischer Onkel kann Aufregung nicht verstehen

Die 28-jährige Anzhelika hat zwei Töchter, die in Bünde eine Kita und eine Grundschule besuchen. Mit ihrem Mann kam sie im Mai vergangenen Jahres nach Bünde. Wie sehr der Überfall Russlands auf die Ukraine auch Familien, die in beiden Ländern leben, spaltet, wird deutlich, wenn Anzhelika von ihrem russischen Onkel erzählt: „Er denkt, dass Russland das Recht hat, die Ukraine zu überfallen, und dass die Ukrainer im Osten des Landes lieber zur Russland gehören wollen. Aber das ist nicht so. Niemand will zu Russland gehören.“ Die Frau hat in dem Kursus sehr gut Deutsch gelernt und weiß sich auszudrücken. Anzhelika weiß aber auch, dass die Menschen in Russland nicht frei sind und nur die staatlichen Nachrichten sehen, die nur aus Putin-Propaganda bestehen. „Wir Ukrainer wollen aber frei leben“, betont sie. Ihr Onkel hat für die anti-russische Haltung kein Verständnis und glaubt auch nichts über die Gräueltaten der russischen Armee.

Ein Bestandteil des Kurses ist auch ein Bewerbungstraining, das bei einigen bereits Früchte getragen hat. Der 18-jährige Maksim hat zwischenzeitlich in einer Möbelfirma arbeiten können. Die 24-jährige Eliza arbeitet in einer Arztpraxis in Bünde. Nina (42) ist in der Ukraine Kunstlehrerin und würde auch hier gern arbeiten – und der 45-jährige Alexei arbeitet ehrenamtlich bei der Tafel in Bünde.

Ausschließlich mit ukrainischen Kindern und Jugendlichen hat es Yuliia Chemer zu tun. Die Psychologin und Dolmetscherin für vier Sprachen floh im März mit ihrer Tochter, ihrer Mutter und Freunden aus der Ukraine nach Deutschland. Nach verschiedenen Stationen im eigenen Land entschloss sie sich am Ende innerhalb von zehn Minuten, die Ukraine zu verlassen. Dass der Krieg nun schon ein Jahr dauert, hätte sie nicht gedacht. Ihre Arbeit mit den ukrainischen Schülern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren ist sehr intensiv. Sie unterrichtet Englisch, kümmert sich aber auch um das Seelenheil der Kinder, von denen einige durch den Krieg zu Halbwaisen wurden. „Ein großes Problem für die Kinder ist das Heimweh. Sie freuen sich zwar, hier in ihrer Gruppe zu sein, und haben auch deutsche Freunde gefunden, sie sehnen sich aber auch sehr nach ihrem Zuhause“, sagt Yuliia Chemer, die aktuell 60 Kinder in zwei Gruppen der „Willkommensklasse“ betreut. Die schulischen Unterschiede der Ukraine und Deutschland seien zudem sehr groß. Die zum Teil lockere Unterrichtsform hier komme den ukrainischen Kindern manchmal eher vor wie ein Spiel, so Chemer.

Yuliia Chemer kam über den Verein Brückenschlag Ukraine an die Stelle, die sie zunächst bis zum Ende des Schuljahres am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium ausübt. „Über den Verein und Dirk Kaiser haben wir damals auch schnell eine Wohnung hier gefunden“, sagt die Ukrainerin, die auf dem Schulhof von ihren ehemaligen Schülern freundlich umringt wird, die mittlerweile in einer Regelklasse Unterricht haben. Die täglichen Nachrichten über die Geschehnisse in der Heimat sind in der Schule kaum ein Thema. „Die Kinder reagieren emotional sehr unterschiedlich darauf“, sagt die Psychologin.

Die Hoffnung auf ein „gutes Ende“ des Kriegs ist allgegenwärtig – bei Yuliia Chemer wie auch bei Maryna Miliusas und ihrem Sprachkursus. Bei den Erwachsenen ist der Wunsch, die eigene Identität zu bewahren, besonders stark ausgeprägt. „Russland will die Existenz der Ukraine auslöschen“, sagt Miliusas. Da sei es nur sehr verständlich, wenn man sich durch das Sprechen der eigenen Sprache die eigene Identität bewahren will.

© Gerad Dunkel – NW Bünde – 24. Februar 2023

 

Foto:

© Gerad Dunkel

Maryna Miliusas (Mitte) mit ihrem VHS-Sprachkursus, in dem Geflüchtete aus der Ukraine Deutsch lernen. Miliusas bringt ihnen auch bei, wie sie Bewerbungen schreiben oder Vorstellungsgespräche führen. Sie kamen zwischen März und Dezember nach Bünde.

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